Deutsche Arbeitnehmer leisten 2 Milliarden Überstunden

Der Leiter der Forschungsgruppe Arbeitszeit und Arbeitsmarkt des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, Eugen Spitznagel, nennt eine sehr konkrete Zahl, wenn es sich um die Frage der in der Deutschen Wirtschaft geleisteten Überstunden handelt. Nach seinem Wissen leisten Deutschen Arbeitnehmer pro Jahr rund 1 Mrd. bezahlter Überstunden, nach seiner Schätzung dürften genauso viele unbezahlte durch die Arbeitnehmer geleistet und nicht berechnet werden. Das Leisten von Überstunden sei vor allem bei jungen Arbeitnehmern beliebt, ist das Ergebnis einer Studie die im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes durchgeführt wurde. Demnach leisten junge Arbeitnehmer wöchentlich 5,3 Überstunden und bescheren ihren Arbeitgebern dadurch ein sehr attraktives Preis- und Leistungsverhältnis.

Ab wann wird aus Mehrarbeit eine Überstunde?

Losgelöst von der politischen Gesinnung, mit der solche Studienergebnisse interpretiert werden, sollte vorab ein Blick auf die rechtliche Situation geworfen werden. Die nämlich besagt, dass nur dann Überstunden vorliegen, wenn die werktägliche Arbeitszeit im Durchschnitt, innerhalb eines Ausgleichszeitraumes von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen, mehr als acht Stunden beträgt. D.h. mögliche Schwankungen in der wöchentlichen Arbeitszeit sind nicht zwingend als Überstunden zu bewerten und können zudem nur dann als solche berücksichtigt werden, wenn diese durch den Arbeitgeber bzw. den entsprechenden Personalverantwortlichen auch angeordnet worden sind.

Warum leisten Arbeitnehmer so viele Überstunden?

Sind wir denn alle doof? Warum? Nun, wir leisten kostenlose Mehrarbeit, die dem Arbeitgeber einen Wettbewerbsvorteil verschafft und somit unsere Arbeit sichert – ABER – in dem wir diese Mehrarbeit leisten nehmen wir quasi einer anderen Person die Möglichkeit diese auch zu leisten und ebenfalls Geld dafür zu erhalten. Im schlimmsten Fall bezieht diese Person über kurz oder lang Grundsicherung und liegt uns, die wir ohnehin schon kostenlos arbeiten auch noch zusätzlich auf der Steuertasche. Das verteuert dann wieder die Lohnnebenkosten und frustriert Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Arbeitsuchenden gleichermaßen. Ganz platt formuliert könnte man auch sagen: 2 Mrd. zuviel geleistete Arbeitsstunden entsprechend in etwa 1 Mio. Arbeitnehmer-Vollzeitstellen. Würden Arbeitnehmer auf Überstunden verzichten, könnte das Problem der Arbeitslosigkeit also quasi über Nacht deutlich entschärft werden. Bevor es an dieser zu linkslastig wird ein letztes Stichwort: Strukturelle Defizite. Leider fallen besonders in Betrieben und Branchen in denen spezielle Qualifikationen erforderlich sind immer besonders viele Überstunden an, weil es eben keine geeigneten Bewerber gibt.

Weniger Überstunden alleine lösen das Problem also nicht, mehr Wissen für alle könnte da deutlich mehr bewirken. Nur müssen dann eben auch alle mitmachen wollen.

30,90 Euro kostete die durchschnittliche Arbeitsstunde 2009

Ob Leitender Angestellter oder Einzelhandelskauffrau in Teilzeit, wenn das Statistische Bundesamt Zahlen erhebt, landen manchmal alle in ein und derselben Statistik. Das gilt vor allem dann, wenn es sich wie im aktuellen Fall um einen bundesweiten Durchschnitt der Arbeitskosten (Arbeitskosten = Bruttolöhne und -gehälter plus Lohnnebenkosten) handelt. Hier haben die Statistiker des Bundesamtes nämlich die Kosten der durchschnittlichen Arbeitsstunde für das Jahr 2009 ermittelt und dazu die verschiedenen Branchen und Arbeitnehmergruppen in einem großen Statistik-Topf zusammengefügt. Herausgekommen ist ein durchschnittlicher Preis je Arbeitsstunde von 30,90 Euro, was einem Anstieg von 4,1 Prozent gegenüber dem Jahr 2008 entspricht. Die mit 50,30 Euro höchsten Kosten je Arbeitsstunde verzeichneten Unternehmen in der Energieversorgung, die geringsten mit lediglich 16,10 Euro werden nicht im ostdeutschen Friseurwesen, sondern im bundesdeutschen Gastgewerbe bezahlt.

Kurzarbeit lässt Arbeitskosten steigen

In der Summe mussten Arbeitgeber in Deutschland im Jahr 2009 ungeachtet der Krise einen empfindlichen Aufschlag auf die Lohn-/Stückkosten hinnehmen, was der Wettbewerbsfähigkeit des Landes nicht unbedingt zuträglich ist. Allerdings dürfte – so die Einschätzung des Statistischen Bundesamtes – dieser Nachteil eher vorübergehender Natur sein, da Länder wie z.B. Spanien, die im letzten Jahr sinkende Arbeitskosten zu verzeichnen hatten dies ausschließlich durch Personalentlassungen geschafft hätten. Dieses qualifizierte Personal musst nach der Krise mühsam neu gefunden und eingearbeitet werden, was dann einen deutlichen finanziellen Mehraufwand gegenüber der in Deutschland praktizierten Kurzarbeitsregelung bedeutet.

Höchste Arbeitskosten in Dänemark

Trotz steigender Arbeitskosten liegt Deutschland als „Hochlohnland“ immer noch deutlich hinter den teuersten europäischen Ländern. Das teuerste land der Statistik ist derzeit Dänemark mit 37,40 Euro je Arbeitsstunde, das günstigste Bulgarien wo die durchschnittliche Arbeitsstunde lediglich 2,90 Euro kostet.

Angesichts dieser Durchschnittzahlen muss man sich schon fragen, weshalb Mindestlöhne von 7 oder 8 Euro überhaupt diskutiert werden müssen, es scheint ja durchaus Arbeitgeber zu geben, die die Leistung ihrer Mitarbeiter auch vernünftig bezahlen möchten – gäbe es mehr davon, hätten Ausbeuter keine Chance ausreichend Arbeitskräfte zu verpflichten. Diese schwer gelb angehauchte Theorie wollen wir an dieser Stelle aber einfach mal schnell wieder vergessen …