Selbständige zur Rentenvorsorge verpflichtet

Ausgerechnet die Selbständigen sollen nach einer Gesetzesinitiative des Bundesarbeitsministeriums ab 2013 zur Einzahlung in eine private Altersvorsorge wie die Basis-Rente (Rürup-Rente), eine private Rentenversicherung oder eine sonstige frei wählbare Form der privaten Altersvorsorge einzahlen um später nicht dem Staat zur Last zu fallen (Grundsicherung).

Die Überlegung scheint nachvollziehbar und würde sicherlich auch den meisten Selbständigen einleuchten, wäre das Ministerium oder besser die Ministerin Ursula von der Leyen persönlich, vor die Presse getreten und hätte eine Beitragshöhe von min. 250 Euro plus 100 Euro für die Absicherung gegen Erwerbsminderung gesprochen. Nimmt man diese 350 Euro plus die 330 Euro die die gesetzliche Krankenkasse derzeit als Mindestbeitrag für Freiwillig Versicherte (unabhängig vom tatsächlichen Einkommen) ansetzt ergibt sich eine Summe, die dem einen oder anderen Gewerbetreibenden die Zornesröte ins Gesicht zaubert.

Arbeitslosigkeit muss abgesichert werden, Selbstständigkeit nicht?

Während Draußen vor den Toren sofort der Kanon des „zu viel“ angestimmt wird und sich in verschiedenen Kommentaren bei FAZ, Stern, Süddeutsche & Co. der Hinweis darauf findet, dass die Selbstausbeutung endlich ein Ende haben muss und derjenige, der das nicht bezahlen kann sich eben nicht dauerhaft Selbstständig machen kann, erscheint mir persönlich eine wichtige Frage gar nicht gestellt worden zu sein: wenn ich nicht arbeite, habe ich ein Anrecht auf Grundsicherung. Wenn ich mich Selbstständig mache, im Zweifelsfall deutlich mehr arbeite als ein normaler Angestellter, weniger Urlaub habe und mich mit sonstigen Widrigkeiten des Geschäftslebensalltags auseinandersetze, dann soll ich im Falle des Scheiterns keinen Anspruch auf eine Grundsicherung haben?

Welches Signal geht von einer solchen Politik aus? Wer das Risiko einer Unternehmensgründung eingeht ist blöd? Wer als Selbständiger scheitert hat dann ein für alle Male alles verloren, kein Geld, keine Grundsicherung? Ab unter die Brücke?

Der Ansatz klingt logisch, doch diese Umsetzung schadet der Volkswirtschaft

So sinnvoll der Ansatz einer Rentenversicherung für Selbständige auch sein mag, werden die Vorschläge des Ministeriums so umgesetzt wie von Frau von der Leyen beschrieben, dann wird aus meiner Sicht der volkswirtschaftliche Schaden durch verhinderte Gründungen die potentielle Kosten für Selbständige in der Rentengrundsicherung übertreffen.

Nachtrag: Der Autor dieses Beitrags ist Selbstständig, freiwillig gesetzlich Krankenkassen versichert und zahlt mehr als 250 Euro / Monat in eine privat Altersvorsorge ein. Ein massiver Auftragseinbruch und die völlig unflexible Krankenkassen Beitrags-Systematik hat ihn im Jahr 2009 fast zur Insolvenz geführt.

Grundsicherung als Kombi-Kalkulations-Modell

Wie viel Geld ein Bundesbürger im Monat benötigt ist heute wie auch im Februar die entscheidende Frage. Die aktuell als Grundsicherung ausgezahlten 359,- Euro zzgl. Raumkosten sind es jedenfalls nicht, wie das Bundesverfassungsgericht im Februar dieses Jahres festgestellt hatte.

Das Ministerium für Soziales unter Leistung von Ursula von der Leyen (CDU) hatte in den letzten Monate intensiv über die Neuregelung der Hartz IV Sätze nachgedacht und dazu auch verschiedene Ideen in der Öffentlichkeit angetestet. Vor allem die Chip-Karte für Kinder, die dadurch kostenfreien Zugang zu unterschiedlichen Bildungsangeboten erhalten sollen wurde dauerhaft und kontrovers diskutiert. Umso erstaunlicher, dass die Chip-Karte in dem jetzt vorgestellten Gesetzesentwurf so etwas wie ein „Streichposten“ darstellen. Sie kann, muss aber nicht unbedingt Teil der Grundsicherungs-Neuregelung werden.

Auch wenn die Höhe der Sätze noch nicht festgelegt ist, so zeichnet sich doch ein grundsätzlich neues Denken in der Grundsicherungsregelung ab. Kosten für die Praxisgebühr werden dann ebenso in die Kostenkalkulation einbezogen werden wie Gebühren für die Internetnutzung. Inwieweit Kosten für die Bildung und Ausbildung von Kindern berücksichtigt werden, könnte von regionalen Faktoren abhängen. So sieht der Gesetzesentwurf einen Zuschuss aus den Kassen der Job-Center vor, die dann vor Ort über die individuelle Höhe von Zuschüssen zur Lernförderung, Klassenfahrten, Mittagessen oder Sport- und Freizeitaktivitäten entscheiden sollen.

70% Preisentwicklung und 30% Steigerung der Netto-Löhne

Grundsätzlich wird die Abhängigkeit zwischen Rente und Grundsicherung aufgehoben werden. Anstelle dessen soll eine Kombi-Kalkulation bestehend aus 70% Preisentwicklung und 30% Steigerung der Netto-Löhne künftig für Steigerungen der Grundsicherungsbeträge herangezogen werden.

Ob der vorgelegte Gesetzesentwurf tatsächlich in dieser Form umgesetzt werden wird ist zum aktuellen Zeitpunkt schwer absehbar, viel Zeit für Diskussionen bleibt allerdings nicht, bereits am 20. Oktober soll das Bundeskabinett über die Neuregelungen entscheiden, damit die neue Gesetzeslage ab dem 1. Januar 2011 in Kraft treten kann.

410.000 Rentner auf Grundsicherung angewiesen

In Rente zu gehen wird immer mehr zu einem finanziellen Risiko wie es scheint. Einer aktuellen Erhebung zufolge sind mittlerweile 410.000 Rentner auf die staatliche Grundsicherung (Sozialhilfe) angewiesen, da die eigenen Renteneinkünfte nicht ausreichen um den Lebensalltag zu bestreiten. Wer jetzt annimmt, dass es sich hierbei überwiegend um Frauen handelt, die während Ihres Arbeitslebens in Teilzeit gearbeitet haben und deshalb einen geringeren Rentenanspruch erworben haben, der irrt. Lediglich knapp mehr als die Hälfte (56%) der Betroffenen Personen sind weiblich, im Vergleich zum Vorjahr stieg der Anteil männlicher Bezieher der Grundsicherung im Rentenalter mit plus 6,1 Prozent sogar deutlich schneller als die der weiblichen mit plus 3,8 Prozent.

Insgesamt beziehen derzeit rund 768.000 Deutsche, die aus Alters-, Krankheits- oder Behinderungsgründen nicht für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen einen Zuschuss zur Alters-, Berufsunfähigkeits- oder Invalidenrente.

Fachleute erwarten für die kommenden Jahre einen weitern Anstieg der Unterstützungsbedürftigen, da dann langsam jene Jahrgänge in Rente gehen werden, deren Arbeitsbiographien viele Jobwechsel und Arbeitsunterbrechungen aufweisen, was die spätere Altersrente deutlich mindert und dadurch den Anspruch auf Grundsicherung eintreten lässt. Staatliche geförderte private Altersvorsorge mittels der Riester-Rente oder Rürup-Rente wird also wichtiger denn je, allerdings werden sich viele der heutigen Beschäftigten keine ausreichende Zusatzrente ersparen können. Zu gering die eigenen Einkünfte als das für die Altersvorsorge viel übrig bleiben würde.

Es scheint fast als hätte sich die seit den 60er Jahren auf Wachstum und Sozialtransfer eingestellte Bundesrepublik bereits vor vielen Jahren an der Last der finanziellen Zukunft verhoben. Ausbaden müssen das allerdings Kinder und Kindeskinder dieser Generation, die eigentlich nur hoffen kann, dass Eltern und Großeltern einen größeren Spargroschen hinterlassen.