Von Warnschussarrest zu Schock-Haft

Als Hesse ist man von seinem Landesvater so einiges gewohnt, kaum gewählt machte er sich daran die selbst definierten Ziele auch umzusetzen und war, das muss man in dieser Offenheit sicherlich feststellen, durchaus erfolgreich. Zumindest ist mir praktisch niemand bekannt, der nicht zumindest entnervt auf den Namen „Koch“ und die damit verbundenen Einsparungen oder auch sonstigen Veränderungen reagiert. Erstaunlicherweise ist es eben diesem Koch aber auch jetzt, kurz vor seiner möglichen Widerwahl gelungen ein Thema aus der politischen Mottenkiste zu zerren, welches dem Anspruch des Populismus auch diesmal wieder gerecht wird. Kriminelle Jugendliche mit Migrationshintergrund sollen härter bestraft werden. Getreu dem Motto mehr Strafe bedeutet auch mehr Abschreckung werden eifrig – und das ist fast noch erstaunlicher – Wählerstimmen eingesammelt.

Die Hessen SPD ist pünktlich zum Start der Koch’schen Kampagnen in Schockstarre verfallen und schaut mit großer Verwunderung von Landesvater zu Volk, die sich – erschreckender Weise – eine durchaus nicht unähnliche Sicht der Dinge gönnen. Wenn es gut läuft sollte niemand aufhören, vielleicht das der Grund für die zweite Koch’sche Wahlattacke auf die die sozialdemokratische Minderheit immer noch fast lautlos protestiert. Zusätzlich zu einer härteren und schnelleren Bestrafung von jugendlichen Kriminellen, dem Warnschussarrest alias Schock-Haft wird jetzt auch das Thema deutsche Sitten als zusätzlicher Trumpf aus dem Ärmel gezogen. Kann ja sein, dass ich der Einzige bin, aber bei „deutsche Sitten“ fallen mir jede Menge negative Assoziationen aus dem 20. Jahrhundert sowie der Ballermann auf Mallorca ein. All das kann aber, hat man kurz nachgedacht, nicht gemeint sein.

Offensichtlich sollen wir Hessen besser miteinander kommunizieren und dies auf Deutsch tun, deshalb sollten alle diese Sprache beherrschen und zusätzlich eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte wie Fleiß, Ordnung, Pflichtgefühl und Anstand stattfinden. So gelingt das Zusammenleben der Kulturen besser – und gibt auch dem einen oder anderen Nichtwähler ein Signal für wen das Kreuzchen zu setzen ist: Starker Vater oder starre Opposition.

Nichts gegen Pflichtgefühl und Anstand (ich persönliche vermisse „Respekt“ in der Koch’schen Aufzählung – aber der ist möglicherweise aus Anstand vor den möglicherweise betroffenen Lesern weggelassen worden) aber dies ist wahrlich kein Wahlkampfthema. Wer nach solch plump formulierten Aussagen seine Wahlentscheidung trifft, dem fehlt es auch an einigem, wie z.B. dem Fleiß die Wahlprogramme der Parteien in grob zu überfliegen, dem Anstand einen solchen Populismus nicht blind zu fördern und der Einsicht das Rückbesinnung auf deutsche Tugenden für die meisten Kinder schlicht nur dann möglich sein wird, wenn bereits im Kindergarten und der Grundschule ein Miteinander der Kulturen auf Basis dieser Schlagworte möglich wird. Dazu wären allerdings ein paar neue Strukturen an diesen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen notwendig. Vielleicht auch mal ein Thema für den Landesvater.