Die Weißwurst ist kein Münchner

Wer in Bayern dachte mit dem Verlust der CSU bei den letzten Landtagswahlen sei der absolute Tiefpunkt der bayerischen Tradition erreicht, der wird nach dem Urteil eines Besseren belehrt sein. Die Weißwurst ist keine Münchner Erfindung und deren Produktion ist keine Münchner Angelegenheit. So lautet es letztinstanzlich aus dem ebenfalls in München beheimateten Gericht. Die Geschichte, wonach ein Münchner Wirt aus lauter Verzweiflung über die schlechte Qualität der angelieferten Würste diese in Schweinedarm umgefüllt und somit als erster im Jahr 1857 die Weißwurst erfunden habe, sei eine nette Anekdote, aber mehr eben auch nicht.

Münchner Weißwürste kommen bereits jetzt überwiegend nicht aus München

In der Urteilsbegründung heißt es weiter, für den Schutz des Begriffes (und somit auch des Produktes) seien nach EU-Recht „die tatsächlich feststellbaren Marktverhältnisse“ ausschlaggebend und diese hätten würden nun mal zeigen, dass die Weißwurst maßgeblich in Südbayern, aber nicht im Raum München hergestellt werden. Somit handle es sich um eine bayerische Angelegenheit, aber keine Münchner. Der Begriff „Münchner Weißwurst“ sei daher nicht schützendwert, da es eben der Realität wie etwa „Champagner“ oder „Emmentaler“ nicht entspreche.

Weißwurst-Leitsätze lassen kalb- und Schweinefleisch zu

Für die Münchner Metzger ist damit der Qualitätsverlust der Wurst so gut wie besiegelt. Während sich Münchner Wursthersteller streng an die „Weißwurst-Leitsätze“ halten und in den Schweinedarm überwiegend Kalbfleisch füllen, würden Konkurrenzbetriebe bereits seit geraumer Zeit das Kalbfleisch mit Schweinefleisch strecken bzw. dieses weitgehend durch Schweinefleisch ersetzen und somit am wichtigsten Rohstoff, dem des Fleisches sparen. Dass dies mit den „Weißwurst-Leitsätze“ eigentlich vereinbar ist, verliert dabei der Verfechter der Münchner Weißwurst bei dieser Form der Argumentation ein bisschen aus den Augen.

Künftig wird also das Undenkbare möglich werden – die Münchner Weißwurst kann im Ausland produziert und unter dem Zeichen der bayerischen Landeshauptstadt verkauft werden. Es bleibt zu befürchten, dass dies den meisten Nicht-Münchner schlicht wurscht ist.