Deutsche Kündigungsfrist Regelung verstößt gegen EU-Recht

Wer Europa als abstraktes Gebäude zufällig nahe beieinander liegender Staaten betrachtet, muss oder besser sollte sein Europa-Bild langsam aber sicher überdenken und der Realität anpassen. Deutschland ist nicht nur inmitten, sondern eben auch ein ganzes Stück weit abhängig von Europa, wie dem aktuellen Urteil des Europäische Gerichtshof in Fragen des Deutschen Arbeitsrechts anzumerken ist.

Deutschland muss Kündigungsfristen ändern

Wer den EU-Abgeordneten eine neurologische Auffälligkeit hinsichtlich eines Vorhandenen Normierungs- und Vereinheitlichungswahns unterstellt, wird nicht nur an Stammtischen Nicken ernten. Ganz so einfach, darf der Aufwand, den Europa Abgeordnete betreiben aber nicht abgetan werden. Einen ganzen Kontinent unter „einen Hut“ zu bringen bedarf Zeit und einer großen Portion guten Willens, denn im Zweifelsfall finden das, was dort „in der Ferne“ ausgebrütet wird immer alle Betroffenen „blöd“.

So gesehen ist zu erwarten, dass der Ruf aus Brüssel das Deutsche Arbeitsrecht in dem Punkt Kündigungsschutz zu ändern auch wieder alle blöd. Die Arbeitgeber werden argumentieren, dass das kontraproduktiv zum gelockerten Kündigungsschutz ist, der so wunderbar viele neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Die natürlich sofort in Gefahr sind, wenn die Bundesregierung dem Europäische Gerichtshof (EuGH) folgt. Gewerkschaften werden diese getroffene Entscheidung als eine Entscheidung im Sinne des Arbeitnehmers bewerten, die natürlich zukunftsweisend für den Standort Europa ist … um zugleich einzuschränken, dass es natürlich kaum hinnehmbar ist, wenn jemand der 30 Jahre in einem Betrieb gearbeitet hat genauso schnell gekündigt werden kann wie ein Kollege, der nur 3 Jahre dort beschäftigt ist. Diskriminierungsverbot hin oder her.

Klientelpolitik ruiniert die Vision

Diese – nennen wir es einfach mal Klientelpolitik – ist in Zeiten eines anzunehmend sinkenden Bildungsstandes der Betroffenen (das scheint Konsens zu sein) nun wahrlich kontraproduktiv in Hinsicht auf die gesellschaftlichen Möglichkeiten, die sich durch dieses kleine, aber Richtung weisende Urteil ergeben. Wenn junge Arbeitnehmer das Gefühl hätten nicht ständig die Top Platzierung auf der Abschussliste einzunehmen, würden sie vielleicht mehr Zeit darauf verwenden das eigene Leben und damit auch die Nachwuchsplanung früher zu gestalten. Wenn ältere Arbeitnehmer das Gefühl hätten das Ihre Leistung und Erfahrung honoriert wird und sie nicht nur deshalb ihren Job behalten, weil die Jüngeren viel leichter loswerdbar sind, wären sie dann nicht viel eher bereit flexibel auf notwendige Änderungen des Betriebs einzugehen? Und anders gefragt: Muss der Kündigungsschutz tatsächlich nach Betriebszugehörigkeit gestaffelt werden?

Das mag nach Gutmenschentum klingen, ist aber genau genommen nur die Zielvorgabe, die beide Parteien innerhalb des gesellschaftlichen Sozialgefüges erreichen möchten. Seniore Mitarbeiter, die gute Arbeit leisten und im Zweifelsfall auch flexibel und zu Gunsten der Jüngeren Einschränkungen hinnehmen treffen in Betrieben und Gesellschaft auf jüngere Kollegen, die dafür Sorge tragen, dass ausreichend Zuversicht und Nachwuchs vorhanden sind um auch die Zeit nach dem Arbeitsleben der Alten finanziell über einen Generationenvertrag abgesichert werden kann. Eine solche Zukunftsvision  verlangt allerdings Fantasie und eine gehörige Portion Vertrauen darauf, dass alle Beteiligten diesen übergeordneten Zusammenhang als Ziel verfolgen. Das sind nicht unbedingt jene Tugenden, die unserem Land zugerechnet werden. Leider.