Fördert Abgeltungssteuer Kirchen-Steuerhinterziehung?

Wie über ein solches Thema schreiben ohne den Anschein einer blasphemischen Exkursion zu erwecken? Versuchen wir es mit Fakten. Die ab dem nächsten Jahr auf Kapitaleinkünfte wie z.B. Zinsen und Dividenden zu entrichtende Abgeltungssteuer beträgt 25% zzgl. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag. Abgegolten wird die Schuld des Kapitalbesitzers gegenüber dem Staat. Damit an dieser Stelle mögliche Gedächtnislücken der Steuerpflichtigen vermieden werden, wird die Steuerlast direkt bei entstehen der Kapitaleinkünfte abgeführt.

Bank übernimmt die Steuerabführung

Anders als bislang wird die Kapitalbesteuerung also unmittelbar durchgeführt. Der Fiskus muss somit nicht auf die Ehrlichkeit des Steuerpflichtigen hoffen und warten bis dieser in der nächsten Steuererklärung alle Einkünfte aus Kapitalerträgen angibt, sondern bekommt direkt von der Bank des Steuerpflichtigen dessen zu zahlende Abgeltungssteuer übermittelt.

Diese neue Lösung hat aus Sicht des Finanzamts Charme, da die Zahlungen deutlich zeitnaher erfolgen und das Gedächtnis des Steuerpflichtigen weitgehend vor Lücken geschützt ist. Für Geldanleger vereinfacht es die Angabe der Kapitaleinkünfte und bietet durch den Steuersatz von 25% zzgl. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag auch eine Möglichkeit eventuell weniger Steuern auf den Kapitalertrag zu bezahlen als bisher. Zumindest dann, wenn der aktuelle persönliche Steuersatz deutlich höher liegt als eben jene 25% zzgl. Solidarität und Kirchen-Steuer.

Banken haben keine Kenntnis der Religionszugehörigkeit

Genau an dieser Stelle wird die Abgeltungssteuer für die Kirchen zum Problem. Während bislang das Finanzamt für die Feststellung des Einkommens bzw. Gewinns und der daraus entsprechenden Kirchensteuer-Last sowie deren „Eintreibung“ zuständig war, wird diese Feststellung jetzt von den Banken übernommen. Die haben aber in der Regel keine Kenntnis von der Religionszugehörigkeit ihrer Kunden. Für die erste Zeit nach Einführung der Abgeltungssteuer wird es demnach für die Kirchen keine sichere Möglichkeit geben die ihnen zustehenden Steuern auch wirklich zu erhalten. Man ist auf die Ehrlichkeit der Kirchenmitglieder angewiesen, die – zumindest geht es mir so – dieses Problem nicht eigenständig erkennen können, da sie sich bisher auch nicht mit der Überweisung der Kirchensteuer befasst haben.

So kommt es in Deutschland wahrscheinlich erstmals zur flächendeckenden Kirchensteuer-Hinterziehung. In diesem Fall wird der Herr hoffentlich ein Stück weit Nachsicht walten lassen, denn für den deutschen Steuergesetzgeber (und den Steuerzahler nicht minder) gilt schon seit einiger Zeit ein biblisches Wort [Vergib ihnen] sie wissen nicht, was sie tun.