Wirtschaftskrise schafft frei Stellen – Rücktritts-Inflation am Wochenende

Die Chinesen wissen es schon lang. Jede Krise birgt die Chance zu etwas Neuem. Damit das auch immer so bleibt, sparte sich die chinesische Sprache ein Schriftzeichen und nutzt für beide, Krise wie auch Chance, dasselbe.

Auch wenn der Westen gegenüber chinesischem Gedankengut (zumindest dem nicht politischen) durchaus aufgeschlossen ist, werden in Krisen selten Chancen gesehen, geschweige denn genutzt. Da hält man besonders gerne an Bewährtem fest, da weiß man wenigstens was man hat, auch wenn es vielleicht nicht ganz so optimal war, wie eigentlich gedacht. Das gilt im Übrigen auch und ganz besonders für die Personalplanung. Besser ein nicht so guter Lenker und Leiter als einer von dem gar nicht genau bekannt ist was er will, was er kann und was er macht.

Nach diesem Wochenende könnte allerdings der Gedanke aufkommen, dass diese Finanz- und Wirtschaftskrise eine solche Kraft entfaltet, dass langsam aber sicher den bisherigen Führungspersonen in Wirtschaft und Politik klar (gemacht) wird, dass sie den zukünftigen Aufgaben nicht mehr gewachsen sind. Die Wirtschaftsordnung und vielleicht mit ihr auch die Weltordnung könnte in wenigen Jahren mit neuem Personal eine andere werden.

Rick Wagoner macht den Weg für General Motors frei(er)

Für den prominentesten Rücktritt des Wochenendes dürfte US-Präsident Obama verantwortlich sein, der offenkundig die Geduld mit der General Motors Geschäftsführung verloren hat. Mit Rick Wagoner verliert der unter finanzieller Not agierende Autobauer seinen Vorstandsvorsitzenden und macht den Weg frei für ein neues Konzept und weiteren staatlichen Hilfen. Ob auch Deutsche Bahn-Chef Mehdorn der aktuellen Attacke zum Opfer fallen wird ist bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar. Klar scheint aber, dass er zu dem diesmaligen Aufreger tatsächlich nicht viel beigetragen hat und ein möglicher Rücktritt nur als politischer Wille begründet werden kann.

Werner Marnette übernimmt die politische Verantwortung für HSH Nordbank

In der Politik hat sich an diesem Wochenende auch viel getan. Mit Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Werner Marnette findet das Drama um die HSH Nordbank jetzt einen Verantwortlichen. Die landeseigene Bank hat die beteiligten Bundesländer Schleswig Holstein und Hamburg an den Rand des Ruins gebracht, was die Frage offen lässt: Wieso findet sich erst jetzt ein politisch Verantwortlicher? Und warum ausgerechnet einer der wenigen Verantwortlichen, der die fachliche Kompetenz mitbringen könnte das Ausmaß des Ungemach zu erkennen und zu bearbeiten?

Kölns OB Schramma nicht mal im Rücktritt politisch stilvoll

In Köln war Oberbürgermeister Fritz Schramma nicht verantwortlich für den Einsturz des Stadtarchivs, wohl aber für die in der Folge desolate Öffentlichkeitsarbeit und das entstandene Führungsvakuum, welches von Spitzenpolitikern in einer solchen Lage einfach erwartet wird. Während Alpha-Tiere wie „Rudy“ Giuliani (2001, New York) oder Helmut Schmidt (1962, Sturmflut) die Chance im Sinne der betroffenen Menschen und der eigenen Karriere nutzen konnten, war Kölns OB mehr oder weniger dauerhaft auf der Flucht vor Verantwortung. Unter diesem Vorzeichen darf auch gerne die Ankündigung nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten verstanden werden. Verantwortungsvoll wäre es gewesen sofort zu gehen und Platz für jemanden zu machen, der das Amt ausfüllt. Wiederwahl ist übrigens ein schöner Begriff, für einen Oberbürgermeister, der nicht gewählt wurde, sondern durch den Ausfall des gewählten OB dessen Platz übernommen hat.

Die falschen zwei Filme auf Ministers Rechnung

Schlecht gelaufen ist das Wochenende im Übrigen auch für Großbritanniens Innenministerin Jacqui Smith. Die hatte leider die Spesenabrechnung des Hotels nicht so genau geprüft, als dass ihr die Leihgebühren für zwei Pornofilme aufgefallen wären, die der Steuerzahler begleichen durfte. Alles halb so wild war das Statement, war ein Fehler, ihr Berater hat die Filme gesehen. Könnte man vielleicht durchgehen lassen, wäre es nicht ausgerechnet ihr eigener Mann …