2008 ist ein Schaltjahr – legen Sie den Hebel um

Sie fragen sich jetzt was der Autor mit dem wundervollen Wortspiel vermitteln möchte? Ich will es erklären und vorher direkt eine Entschuldigung aussprechen. Wofür? Nun, wer so wie ich ab und zu Texte verfassen muss, der kennt das Problem – man setzt sich mit Dingen, die einen selbst eher wenig interessieren nur halb motiviert um, oder fühlt sich selbst perfekt informiert und verbreitet mit der Interpretation dessen was man zu verstehen glaubt hanebüchenen Unsinn.

Da löst es Erleichterung und – auch das muss ich hier mal zugeben – ein bisschen Schadenfreude aus, wenn man erkennen kann, dass andere Autoren unter denselben Motivations- oder Informationsmangelerscheinungen leiden.

Aber zurück zu dem in der Überschrift stark verkürzten Zitat. Im Original lautet der Absatz „Das Jahr 2008 ist ein Schaltjahr – auch im übertragenen Sinn. Legen Sie also frühzeitig den Hebel um und schalten Sie so die Abgeltungsteuer künftiger Kapitalerträge auf „Aus“ und stammt von DEKA, die damit die absolute Notwendigkeit verdeutlichen wollen bereits jetzt auf die ab 2009 kommende Abgeltungssteuer zu reagieren.

Davon abgesehen, dass ein Schalter schaltet und ein Hebel eigentlich hebeln müsste, ist auch die Vorstellung einen Hebel umzulegen um damit zu schalten irgendwie merkwürdig. Ausgenommen sei an dieser Stelle sei ausdrücklich ein Schalthebel, der sich aber mit dem Drehschalter, welcher neben dieser wunderbaren Textstelle abgebildet ist auch nicht so recht in Einklang bringen lässt. Dahingehend ist der Textbeitrag im Übrigen durchaus und durchgehend unschlüssig – der DEKA Schalter, der die Abgeltungssteuer „Aus“-schaltet, ist nicht etwa mit „An“ und „Aus“ markiert, sondern mit „Min“ und „Max“.

Da ist es dann auch fast nebensächlich, dass die restlichen Abgeltungssteuer Steueränderungen hart an der Grenze der kontrollierten Desinformation interpretiert werden. Wer wie DEKA an dieser Stelle mit den wundersamen Erträgen, welche durch Aktienfonds erzielt werden können wirbt und gleichzeitig auf Vermögensverwalterfonds und Dachfonds setzt schummelt potentiellen Kunden schon in die Tasche.

Aber vielleicht sollte sich hier der Bogen zum Anfang schließen und der Verfasser des DEKA Werbetextes einfach noch mal einen Blick in eine der vielen „Informationen zur Abgeltungssteuer“ Broschüren werfen. Dabei kann man bestimmt prima ab-schalten. Schriebs und hebelte den Schalter aus.

Die Linke zeigt sich mehrheitsfähig: Breitband für alle

Während alle Augen auf den „dann machen wir’s halt so“ Beck aus Rhein-Pfalz gerichtet sind und man sich in Hessen wie auch Hamburg fragt: Machen die das wirklich, kommen die, mit denen es keiner gerne machen möchte mit einer wirklich mehrheitsfähigen Idee: Breitband für alle. Der Kern der politischen Forderung ist schnell erzählt, die digitale Kluft zwischen Land- und Stadtbevölkerung soll geschlossen werden. Es soll auf politischem Weg dafür gesorgt werden, dass allen Deutschen ein Internetanschluss mit 2 MBit/s als Mindeststandard garantiert werden.

Dieses Thema besitzt Relevanz für die parteipolitische Orientierung der von Die Linke, so dass sich gleich zwei prominente Die Linke Vertreter als Breitband Kämpfer vorwagen. Niemand geringerer als Oskar Lafontaine und Gregor Gysi greifen die Bundesregierung an, sie tue zuwenig in der Sache Internet fürs Volk wie einem Newsbeitrag auf Heise.de zu entnehmen ist.

Davon abgesehen, dass eine gesetzliche Regelung mit einem Umweg über Brüssel so viele Jahre Zeitverzug bedeuten würde, dass bis zur Umsetzung und Einführung einer solchen Regelung niemand in Stadt oder Land eine solche Verbindung haben möchte, weil sie dann in ferner Zukunft ohnehin die Bedürfnisse nicht mehr erfüllt – es ist auch nicht nachzuvollziehen, dass sich bei Die Linke die Verwendung von UMTS bzw. HSDPA noch nicht herumgesprochen hat. Wer Interesse an einer schnellen Internetverbindung hat kann getrost auf eine solche Lösung umsteigen und nebenbei auch seinen Festnetz Telefonanschluss abschaffen, da eine entsprechende Flatrate meist auch kostenloses Telefonieren ermöglicht. Das ist zu teuer? Es kostet rund 20 Euro pro Monat mehr als eine herkömmliche Telekom Leitung, das ist wohl richtig, muss die Telekom aber bis in die tiefste Provinz neue Kabel verlegen, dann wird der Preis für die herkömmlichen DSL und Telefontarife auch nicht mehr zu halten sein, irgendwer muss die Kabelverlegerarbeit ja auch bezahlen.

Aber genau besehen kommt dieser Vorstoß der Genossen zum genau richtigen Zeitpunkt, in dieser Forderung nebst Umsetzung durch ein europaweit zu suchendes Unternehmen sichern wir Deutsche wieder viele Arbeitsplätze bei osteuropäischen Subunternehmern und haben ganz nebenbei höchst weit von der Frage „Macht die SPD mit Die Linke gemeinsame Sache“ abgelenkt.

Gottschalk sucht den Musical Star

Wenn es nicht grade in der Süddeutschen Zeitung nachzulesen wäre, könnte man es vielleicht für eine Ente oder einen Aprilscherz halten, so aber muss man dem Autor Glauben schenken und sich wundern. Das ZDF steigt, wie immer reichlich spät, in einen Trend ein, der (hoffentlich) am Ende des Produktzyklus angekommen sein sollte. Das ZDF castet unter der Schirmherrschaft von Thomas Gottschalk den Musical-Showstar 2008.

Die Jury wird von nicht minder gefühlt-jugendlichen Fachleuten, Uwe Kröger (43, Musical-Darsteller – z. Zt. Als Draculas „van Helsing“), Katja Ebstein (62, Sängerin, Letzter Top 10 Hit in Deutschland im Jahr 1980 „Abschied ist ein bisschen wie sterben“) und Alexander Goebel (54, Regisseur „Musical Christmas 2006), gestellt was die Sache irgendwie auch nicht besser macht.

Anders als die privaten Sender RTL und Pro7 hat das ZDF auch keine Auswertung über die gesamte Verwertungskette von Tonträger bis Clubkonzerte und Supermarkteröffnungen geplant, die Sieger des Wettbewerbs werden schlicht im Bochumer Musical „Starlight Express“ die Rollen von Pearl und Rusty übernehmen, letztere Rolle kann fast als wortwörtliche Übernahme der zu erwartenden Show durchgehen.

Natürlich sind Vorverurteilungen nicht ganz fair, aber angesichts einer mit fast 200 Lebensjahren besetzen Jury (inklusive Gottschalk) und einem doch eher biederen „Frauen 50+ affinen Sender“ wie dem ZDF muss man nicht unbedingt auf eine Beschimpfungsorgie a la Bohlen oder eine Psycho-Show nach Art von Detlef D! Soost warten. Vermutlich wird es eher ein gemütliches Beisammensein mit Thomas Gottschalk, der auf die üblichen Samstagabend Wetten verzichtet und Weltstars durch potentielle Muscial-Star-Aspiranten ersetzt. So bekommt man den Abend auch rum und ist niemandem zu nahe getreten. Zuschauer wie auch Vorsingende werden es bestimmt zu würdigen wissen – die Kandidaten haben sogar einen zusätzlichen Vorteil: Die Sieger können sich sicher sein, dass sie tatsächlich nach ihrer Qualifikation und nicht nach Vermarktungspotentialen (Was macht eigentlich Daniel Küblböck?) beurteilt werden und im Anschluss nicht mit Dieter Bohlen eine Platte aufnehmen müssen.

Was ist schlimmer als ein Streik der Lokführer?

Wir Deutschen sind doch alle Softies. Eine Gesellschaft von Konsensbürgern, die jetzt ein bisschen überrascht aus ihrer Lethargie gerissen wird und mit unverhohlenem Erstaunen auf das blickt, was die Eisenbahner, oder genauer gesagt eine kleine Lokführer Gewerkschaft der großen Bahn anzutun gedenkt. Während hierzulande erste Hamsterkäufe als Absicherung gegen die möglicherweise aufgrund des Bahnstreiks eintretenden Versorgungsengpässe getätigt werden, braut sich in den USA ein Streik zusammen, der deutlich größere Auswirkungen auf alle Bevölkerungsschichten haben könnte, als es eine GDL je zu erträumen vermag.

Dort droht die Gewerkschaft der Drehbuchautoren mit Streik, wenn sich der Tarifpartner nicht endlich zu einer gütlichen Einigung in Fragen der Vermarktungsrechte aller medialen Nutzungsmöglichkeiten herablässt. Oder konkret gesagt – wenn sich die Film- und Fernsehproduzenten nicht mit Ihren Autoren einigen können, wird es bald und auf zunächst unbestimmte Zeit keine neu produzierten Folgen von Serienhits CSI, Super Nanny, 24 und Desperate Housewives mehr geben. Die Folge wären Wiederholungen von Wiederholungen und ein gestiegenes Maß an TV medialer Langeweile, bei dem sich die Menschen vielleicht auch wieder für andere Dinge interessieren könnten. Nicht auszudenken, was das für die Geburtenrate und die zwischenmenschliche Kommunikation bedeuten würde, wenn Fernsehen unattraktiv wird.

Kurz nachgedacht: Dieser Streik ist schlimmer als der, der GDL: streiken die Drehbuchautoren hat dies tatsächlich globale Auswirkungen und berührt die Massen bis in die eigenen vier Wände. Wollen wir hoffen, dass es wenigstens in den USA zu einer schnellen Einigung kommen wird, stellen wir uns vor der Frauen TV-Mittwoch entfällt, gar grausig, was das bedeuten könnte.

Soziale Demokraten in Deutschland – Das Hamburger Programm

Der in Hamburg abgehaltene Parteitag hatte es in sich, selten durfte die Partei mal wieder so mit sich selbst beschäftigt sein wie dort. Die Beschlüsse der Basis-Genossen, welche jetzt Bestandteile des jetzt neu festgestellten SPD Parteiprogramms, dem „Hamburger Programm“, darstellen wurden – so hatte es zumindest den Anschein – weithin belächelt.

Hubertus Heil, SPD Generalsekretär fasste die Ereignisse mit den Worten „Unser Prinzip ist es, die Realität anzuerkennen, uns aber nicht mit den Verhältnissen abzufinden“ treffend, kurz und prägnant zusammen. Nicht abfinden mag man sich zum Beispiel mit der Privatisierung der Deutschen Bahn. Warum das schlecht sein soll, oder was vielleicht sogar dafür sprechen könnte musste zu guter letzt vom frisch bestätigen Chef Kurt Beck unter großen Anstrengungen an die Basis vermittelt werden um Schlimmeres zu verhindern. Einmal in Krawallstimmung fanden sich gleich noch ein paar weitere schmucke Themen um die Titel der Tagespresse für sich einzunehmen. Bild am Sonntag hob den Beschluss zur Durchsetzung der bundesweiten „Tempo 130 Regelung“ gleich auf die Titelseite um auch gleich einen schmerzhaften Aufschrei aller automobilen Lobbyisten-Verbände zu erreichen. Hatte man sich gerade erst in Der Spiegel mit einem süffisanten Beitrag zur Niederschlagung der Temporeduzierung selbst ein kleines Geschichtchen gegönnt, so gab es umgehend die Quittung durch die Basis der Sozialdemokraten. Aus Klimaschutzgründen wohl gemerkt.

Vor dem Hintergrund des Klimaschutzes ist sicherlich auch die Rücknahme der Aufhebung der Pendlerpauschale zu verstehen. War es bis vor kurzem noch allgemein anerkannt, das diese Subvention zur Zersiedelung der Landschaft und zu subventioniertem Wohnen im Grünen geführt hat, dessen Einschränkung durchaus auch positive Aspekte hat, so ist dies nach Hamburg alles vergessen. Nur zur Erinnerung, es geht hier darum dass die SPD (Hubertus Heil zum Parteitag: „Unser Prinzip ist es, die Realität anzuerkennen, uns aber nicht mit den Verhältnissen abzufinden“) sich nicht damit abfinden kann mit diesen Änderungen. Als ebenfalls unsinnig hat sich nach Ansicht der SPD ja schließlich auch die Entwicklung der Unterstützungsleistungen der älteren Arbeitslosen erwiesen. Statt ihnen Arbeit durch gezielt Jobangebote zu ermöglichen verlängert man lieber wieder die Überbrückungszeiten bis in den Ruhestand.

Während Lafontaine lautstark zu dem wunderbaren Meinungswandel gratuliert, sich die halbe Nation fragt „Haben die es wirklich noch nicht begriffen und sind im gestern hängen geblieben“ applaudieren die Gewerkschaften und fordern sogleich die Rücknahme der Rente mit 67 Jahren. Schaut fast aus, als gäbe es noch mehr gesellschaftliche Gruppen, die Realitäten nicht anerkennen und Verhältnisse abfinden wollen. Oder wie war das Zitat gleich?