So sehen Sieger aus …

… riefen nicht nur die Jusos, Hannelore Kraft, alte und neue Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen zu. Mit Engagement für Landespolitik und Bürgernähe schickte die NRW SPD-Chefin am heutigen Wahlsonntag ihren CDU Kontrahenten Norbert Röttgen mühelos in das politische Abseits – und beendete, wenn man dem einen oder anderen Kommentator glauben darf, die Karrierepläne des Norbert Röttgen im Bund zumindest vorerst.

Dass die CDU diese Wahl nicht gewinnen wird zeichnete sich bereits in den letzten Wochen ab. Zu wenig charismatisch ging Röttgen an die Sache, zu sehr war er in seiner Rolle als Bundesminister gefangen als dass er die Herzen rheinischen Wahlvolkes erwärmen konnte.

Siege werden nicht geschenkt, sondern mit Überzeugung erarbeitet

Interessanter als die geringe Menge der eingesammelten CDU-Stimmen dürfte aber die grundsätzliche Aussage dieser Wahl sein: Die Wähler wollen ernst genommen werden. Sie möchten Personen zur Auswahl haben, die sich mit der Aufgabe identifizieren können und nicht jemanden der über hinlängliche Prominenz verfügt und ggf. auch Kenntnisse und Verbindungen mitbringt, die für das künftige Amt von Vorteil sind. So ging es in diesem Jahr bereits der Frankfurter CDU, die den sicheren CDU Oberbürgermeister Posten von Petra Roth völlig siegessicher an den amtierenden hessischen Staatsminister des Inneren und für Sport, Boris Rhein, übergeben wollte.
Der smarte Spitzenkandidat machte einen guten Eindruck, konnte aber einfach zu wenige Wähler davon überzeugen den Posten wirklich gerne zu übernehmen und sich von seinem Amt als Innenminister zu verabschieden. Also wählten viele Frankfurter einfach mal SPD und Peter Feldmann und überraschten CDU, SPD und sich selbst mit dem Ergebnis.

Siegen, das hat im Übrigen auch das gestrige DFB-Pokal Finale gezeigt, muss man wollen. Können alleine ist gute Voraussetzung, aber wenn nicht zu 100% bei der Sache ist, den Gegner nicht von seinen eigenen Absichten überzeugen kann, dann verstärkt sich schon mal Trend des Misserfolgs. Das gilt für den FC Bayern wie für aufstrebende Volksvertreter.

Ist es das, was gesagt werden muss ?

Zu Ostern schenkt uns Günter Grass, seines Zeichens Dichter, Lyriker und  Literatur-Nobelpreisträger ein Gedicht und sorgt damit für eine politische Betroffenheit, die das zuletzt bekannte Bundespräsidenten-Betroffenheits-Maß tatsächlich locker überbietet. Wie so oft in öffentlich geführten Debatten muss man der Mehrheit der Betroffenen unterstellen, dass sie das Gedicht wahlweise nicht gelesen und darüber gesprochen oder nicht verstanden und darüber gesprochen hat – anders ist das Ausmaß der aktuellen Betroffenheit kaum nachzuvollziehen, denn eigentlich ist alles was Günter Grass schreibt nicht neu.

Ein, wenn man mich fragt (was ja glücklicherweise keiner tut) Nebeneffekt des kommunikativen Wandels, der Twitter-Manie, des Online-First-Journalismus bei dem die Leser dort lesen wo die Nachricht zuerst veröffentlicht wird und alle späteren Veröffentlichungen zunächst nachrangig einsortiert werden.  Wenn Geschwindigkeit zählt und man ohne größere Nachwirkungen alles kommentieren kann, ganz egal ob man damit richtig oder falsch liegt, können Missverständnisse schon mal passieren, die Hauptsache ist: der Kommentar ist schon mal in der Welt.

Skandal zum Selbstkonfigurieren? Man nehme …

Für einen richtigen Skandal braucht es dann noch eine schnell zusammengezimmerte Kurzzusammenfassung die einem aussagefreudigen Politbeschäftigten zwecks Abgabe eines Kommentars unter die Nase gehalten wird. Zeigt dieser dann wenig Interesse an der gesamten Information und kommentiert nach bestem Wissen und Gewissen ist ein veritabler Skandal fertig. Aber eigentlich soll es hier nicht um mediale Eigenarten oder um Schelte an den dort arbeitenden Personen, sondern um die Frage: Ist es das, was gesagt werden muss – und was sagt Grass überhaupt, gehen.

Was schreibt denn der Grass nun?

Grass schreibt, dass er es persönlich für merkwürdig erachtet, dass man der Iran (Zitat: „das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk“) keinerlei Atomanreicherung vornehmen darf, weil es als zu gefährlich für den Nahen Osten und den Rest der Welt erscheint (was sicherlich unbestritten der Fall ist) – und das es wohl ebenso merkwürdig ist, dass deutsche Politiker kein Problem darin sehen Israel mit U-Booten Deutscher Fertigung zu beliefern (Zitat: „ein weiteres U-Boot nach Israel geliefert werden soll, dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist“) , die israelische Atomwaffen in den Iran befördern können.  Grass schreibt auch, dass Israel das Recht auf einen Erstschlag für sich in Anspruch nimmt, damit die Kriegsgefahr im Nahen Osten erhöht und Deutschland, das immer so sehr darauf bedacht ist sich in keinen Krieg mehr einzubringen, mit der U-Boot ebenso schuldig ist wie die, die letztendlich die Waffen abfeuern (Zitat „Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden? Weil gesagt werden muß, was schon morgen zu spät sein könnte; auch weil wir – als Deutsche belastet genug – Zulieferer eines Verbrechens werden könnten, das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld durch keine der üblichen Ausreden zu tilgen wäre.“)

Liest man das, versteht man warum die deutsche Politik zu dem Mittel der allgemeinen Betroffenheit greift. Günter Grass als alten verwirrten Mann mit SS-Vergangenheit abzustempeln ist um ein Vielfaches einfacher als zu erklären warum deutsche Atom-U-Boote überall dorthin (nicht nur nach Israel) verkauft werden, wo Friede nicht unbedingt Alltag ist. Dass man das Gefahrenpotential auch als deutsche Regierung durchaus sieht  zeigt ein Statement von Bundes-Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der bei einem Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Ehud Barak sehr deutlich formulierte, dass Deutschland einen militärischen Erstschlag ablehne und weiter verhandeln wolle.

Musste das alles gesagt werden?

Sicherlich. Und eigentlich sollte es auch seit dem Zusammenbruch des Eisern Vorhangs Konsens sein, dass man Konflikte nicht damit löst den Beteiligten immer mehr Waffen zu liefern damit sie sich (und alle anderen) gegenseitig abschrecken. Günter Grass ist auch nicht der erste, der sich an dem Thema Waffenlieferung, die im Übrigen auch mit deutschen Steuergeldern subventioniert werden, abarbeitet. Er ist allerdings der erste, der dies im konkreten Bezug auf Israel und öffentlich über große Deutsche Tageszeitungen tut. Ob man diese simple Kommentierung bekannter Tatsachen nun tatsächlich derart aufbauschen muss wie das getan wurde – und ob ich tatsächlich zunaiv bin den antisemitischen Charakter dieses Gedichts herauszuarbeiten – ist eine ganz andere Frage. Gerade im Hinblick auf Israel muss man allerdings feststellen: Der Ton macht die Musik. Dem Komponisten der Misstöne  aber nun den Zutritt zu verwehren ist, Entschuldigung wenn ich das so offen sage: Total kindisch.

Den kompletten Wortlaut des Grass Gedichts „Was gesagt werden muss“ hat die Süddeutsche Zeitung hier veröffentlicht.

Selbständige zur Rentenvorsorge verpflichtet

Ausgerechnet die Selbständigen sollen nach einer Gesetzesinitiative des Bundesarbeitsministeriums ab 2013 zur Einzahlung in eine private Altersvorsorge wie die Basis-Rente (Rürup-Rente), eine private Rentenversicherung oder eine sonstige frei wählbare Form der privaten Altersvorsorge einzahlen um später nicht dem Staat zur Last zu fallen (Grundsicherung).

Die Überlegung scheint nachvollziehbar und würde sicherlich auch den meisten Selbständigen einleuchten, wäre das Ministerium oder besser die Ministerin Ursula von der Leyen persönlich, vor die Presse getreten und hätte eine Beitragshöhe von min. 250 Euro plus 100 Euro für die Absicherung gegen Erwerbsminderung gesprochen. Nimmt man diese 350 Euro plus die 330 Euro die die gesetzliche Krankenkasse derzeit als Mindestbeitrag für Freiwillig Versicherte (unabhängig vom tatsächlichen Einkommen) ansetzt ergibt sich eine Summe, die dem einen oder anderen Gewerbetreibenden die Zornesröte ins Gesicht zaubert.

Arbeitslosigkeit muss abgesichert werden, Selbstständigkeit nicht?

Während Draußen vor den Toren sofort der Kanon des „zu viel“ angestimmt wird und sich in verschiedenen Kommentaren bei FAZ, Stern, Süddeutsche & Co. der Hinweis darauf findet, dass die Selbstausbeutung endlich ein Ende haben muss und derjenige, der das nicht bezahlen kann sich eben nicht dauerhaft Selbstständig machen kann, erscheint mir persönlich eine wichtige Frage gar nicht gestellt worden zu sein: wenn ich nicht arbeite, habe ich ein Anrecht auf Grundsicherung. Wenn ich mich Selbstständig mache, im Zweifelsfall deutlich mehr arbeite als ein normaler Angestellter, weniger Urlaub habe und mich mit sonstigen Widrigkeiten des Geschäftslebensalltags auseinandersetze, dann soll ich im Falle des Scheiterns keinen Anspruch auf eine Grundsicherung haben?

Welches Signal geht von einer solchen Politik aus? Wer das Risiko einer Unternehmensgründung eingeht ist blöd? Wer als Selbständiger scheitert hat dann ein für alle Male alles verloren, kein Geld, keine Grundsicherung? Ab unter die Brücke?

Der Ansatz klingt logisch, doch diese Umsetzung schadet der Volkswirtschaft

So sinnvoll der Ansatz einer Rentenversicherung für Selbständige auch sein mag, werden die Vorschläge des Ministeriums so umgesetzt wie von Frau von der Leyen beschrieben, dann wird aus meiner Sicht der volkswirtschaftliche Schaden durch verhinderte Gründungen die potentielle Kosten für Selbständige in der Rentengrundsicherung übertreffen.

Nachtrag: Der Autor dieses Beitrags ist Selbstständig, freiwillig gesetzlich Krankenkassen versichert und zahlt mehr als 250 Euro / Monat in eine privat Altersvorsorge ein. Ein massiver Auftragseinbruch und die völlig unflexible Krankenkassen Beitrags-Systematik hat ihn im Jahr 2009 fast zur Insolvenz geführt.

Sowas der CDU

Da erwarten wir von unseren Politikern immer, dass sie wie ganz normale Bürger mitten im Leben stehen – machen Sie das, sind plötzlich alle erstaunt. Christian von Boetticher, eben noch hoffnungsvoller Kandidat für den Posten des Landesvaters im nördlichsten deutschen Bundesland, ist über genau dieses allzu normale Verhalten gestolpert. Seine zumindest dem Namen nach konsequent konservative Partei honoriert die menschliche Mitten-im-Leben-Seite wie nicht anders zu erwarten mit der üblichen politisch-professionellen Missbilligung und reicht publikumswirksam ein Taschentuch zum Abschied.

Er sei ein guter Politiker sagt Amtsinhaber Peter Harry Carstensen zum Abschied und versucht damit ebenso konsequent von dem angeblichen Mißverhalten des „Ziehsohns“ wie auch von der eigenen Unfähigkeit einen Nachfolger auszuwählen abzulenken. Denn viel wichtiger als der Altersunterschied zur ehemaligen Freundin oder eventuellen strafrechtlichen Konsequenzen aufgrund ihres Alters ist doch die Frage: Hat ein Anfang-Vierziger, der sich scheinbar ohne Selbstzweifel perfekt mit einer jugendlichen Freundin versteht, tatsächlich die persönliche Reife besitzen ein ganzes Bundesland zu führen? Oder vielleicht als offene Frage an die CDU Schleswig-Holstein gerichtet: Was zeichnet einen guten Politiker in Ihren Augen aus? Welche menschlichen Qualitäten hat ein Kandidat, wenn er ein guter Politiker ist und das Spitzenamt des Landes bekleiden soll?

Von Boetticher muss man zu Gute halten, dass er öffentlich ausspricht, was sich die wenigstens Männer mit Macht und Perspektive trauen: Er spricht von seinen Gefühlen und steht dazu. Diesen den Vorrang vor einer Karriere zu geben ist löblich (oder wollte man ihm vielleicht doch innerparteilich nichts Gutes), für die meisten Karrieristen unverständlich und für die von EU-Querelen und Wirtschaftskapriolen ermüdeten Journalisten endlich ein Thema, das Abwechslung vom Sommerloch Journalismus verspricht.

Kein AAA mehr? Der Markt regelt das.

So ein bisschen verwundert blicke ich schon auf den global Ökonomie-Aufreger des Wochenendes. Die USA, also jene Nation die letzte Woche knapp die Zahlungsunfähigkeit abwenden konnte und dessen Vertreter dazu einen Kompromiss fanden der die Wohlhaben nicht belastet, dafür aber die Fürsorge für die Armen weiter kürzt, diese USA verliert den Status der bestmöglichen Kreditwürdigkeit – international als „AAA“ bezeichnet.

Die Ratingagentur Standard & Poor’s, also jene Instanz, die die Herabstufung vorgenommen hat, hat eigentlich nur das getan, was in den Augen des Normalsterblichen logisch erscheint. Ein Staat, der die Steuern auf absehbare Zeit aus politischem Willen nicht erhöht und somit keine Aussicht hat seine Einnahmensituation zu verbessern, der bei den Bedürftigen und bei Infrastrukturmaßnahmen spart, nimmt sich selbst die Chance den Schuldenberg zurück zu bezahlen und sich selbst Wachstumsimpulse zu geben. Während die Keynsianer unter den Lesern jetzt nicken werden die „Falken“ mit einem Kopfschütteln sagen: Der Markt regelt das schon. Und das stimmt.

Alleine durch die Entscheidung keine Steuern zu erheben und die Ausgaben zu kürzen hat man dem Markt das passende Signal gegeben. In der Folge brachen die Notierungen an Börsen weltweit ein, die Angst vor dem globalen Zusammenbruch ist wieder so präsent wie zu Lehman Brothers‘ Zeiten und – die Wohlhabenden, die Ihr Vermögen nicht der Steuer und dem Staat opfern – sind die Opfer der fallenden Notierungen. So haben sie, wenn der „frei geregelte Markt“ seinen Boden gefunden hat vielleicht sogar noch weniger Geld als wenn sie es einmal in einem Akt von sozialer Marktwirtschaft für das über alles geliebte Land und dessen Bedürftige ausgegeben haben.